„Viel gelernt, gute Betreuung, gutes Miteinander, gute Laune“… so beschreibt eine Teilnehmerin den Acryl-Kurs.
Am Montag, 06. November transportieren die TeilnehmerInnen Abdeckfolie für Boden und Mobiliar, Farben, Maluntergründe, Staffeleien und alles was es braucht um den Konferenzraum Clausthal zum Atelier umzugestalten. Dann sind Fortgeschrittene mit fundiertem Können, Geübte mit dem Wunsch sich weiterzuentwickeln und unsichere, wissbegierige Einsteiger an „klecks-sicheren“ Arbeitsplätzen für den Acryl-Kurs gerüstet.
Die Praxis beginnt spielerisch experimentell. Aus den 3 Grundfarben gelb, rot und blau mischen wir die Komplementärfarben orange, grün und violett. Dann blasen wir mit Trinkhalmen Farbspuren und –muster auf Papier. Den experimentellen Teil schließen wir mit Monotypien auf Glasplatten ab. Die Einsteiger erfahren die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten der Acrylfarben und die Experimentier-freude der Fortgeschrittenen entwickelt überraschende Effekte. „Das ist so toll, ich hab das Ergebnis als Startbild auf mein Smartphone geladen“ schwärmt eine Teilnehmerin.
Nach dem Trocknen der Untermalung greifen wir zu den Farben und gestalten unser Bild nach dem Grundsatz von dunkel nach hell, von mager nach fett – kein Unterschied zur Ölmalerei. Das Grundsätzliche dieser Aufgabe ist, nicht das Gese-hene „abzumalen“ sondern das Motiv zu interpretieren, Farben zu verstärken, Kontraste zu steigern und Oberflächestrukturen zu vermitteln.
Wieder extrem wichtig: Wir malen nicht was wir wissen – wir malen was wir sehen. In diesem Sinne ist auch das naturalistische Bild abstrakt. Wir tragen unsere Farben so auf, das sie dem Auge den Begriff Stein oder Glas vermitteln. Licht und Schatten, Spiegelungen, Vorder- und Hintergrund sowie die Perspektive geben der Malerei Tiefe und dreidimensionale Wirkung. |
Zum Einstieg in die Bildbesprechung bitte ich die TeilnehmerInnen um eine positive Stellungnahme zum Werk. Das klingt leichter als es ist, denn kritische und negative Äußerungen kommen fast immer leichter über die Lippen. Sich selbst gut zu finden wird oft als „Eigenlob“ fehlinterpretiert.
Ein gesundes Maß an künstlerischem Selbstbewusstsein ist für mich unverzichtbar. Im Gespräch mit einem Betrachter oder gar Kaufinteressenten wirkt es wenig glaubwürdig wenn die Künstlerin / der Künstler den Eindruck vermittelt sie / er sei vom Ergebnis des Schaffens wenig oder gar nicht überzeugt…
Kreaktiv sein heißt aktiv gestalten – also das individuelle Verhältnis zwischen dem Zulassen und dem zielgerichteten Beeinflussen zu finden.
Mit seidenmattem Transparent-Acryllack veredeln wir unsere Werke. Der Lack schützt vor UV-Strahlung (kein Vergilben), steigert die Farbwirkung und verleiht den teilweise sehr stumpf auftrocknenden Acrylfarben seidigen Glanz.
Unser nächstes Motiv finde ich unmittelbar vor der Haustür des Hotels. Ein mehrstämmiger, gekappter Baum vor novembertrübem Harzwald. Im Vordergrund kontrastiert das ockergelbe an den Jungbäumen verbliebene Laub gegen den blaugrünen Hintergrund des Nadelwaldes Der bildbestimmende hohe Baum teilt das Format vertikal in etwa im Goldenen Schnitt. Die Sitzgruppe am unteren Bildrand stört. Hier hilft sich die Malerei, indem ein zweites Motiv hinzugenommen wird. Ein wettergegerbtes Gartentor als Durchgang in einem Trockenmauerwerk verdeckt die ungeeignete Szenerie. Das kombinierte Motiv gewinnt an Tiefe – ganz vorne Mauer und Tor, der große Baum tritt in den Mittelgrund und tief im Hintergrund der nebelige Nadelwald. |
Wir grundieren unseren Malgrund wieder mit Gesso – dieses Mal leicht getönt mit Siena gebrannt. Ab jetzt haben die TeilnehmerInnen die Aufgabe, „ihr“ Bild zu malen. D. h. vereinfachen, weglassen, übertreiben - Wissen ausschalten, Augen einschalten. Die Hand führt den Pinsel kreaktiv - gesteuert von Kopf, Herz, Seele oder Bauch.
Wir malen von „hinten nach vorne“. Als erstes den Himmel in zartem Gelb, dann die bläulichen Nadelbäume und schließlich die jungen Bäume mit Laubresten. Für die Baumstämme im Mittelgrund verdicken wir eine Mischung aus Umbra natur und Indigo mit Gel und spachteln mit einem kleinen Malmesser. Das schafft eine taktile Struktur, die hell übermalt an Wirkung gewinnt. Das Mauerwerk legen wir zuerst dunkel (Umbra/Indigo) an. Das gibt den Fugen Tiefe. Auf diesen getrockneten Untergrund malen wir helle Steine mit verdickter Farbe. Auch die Latten des Tores malen wir mit verdickter Farbe und Borstenpinsel.
Am späten Nachmittag fällt der erste Schnee im Harz. Die Schneeflocken verwandeln die novembrige Stimmung in eine vorweihnachtliche Atmosphäre. Warum nicht das bisher entstandene Werk komplett übermalen? Mit Mischweiß aufgehelltes Indigo für den fast nächtlichen Himmel, Titanweiß zaubert Schnee auf die Nadelbäume im Hintergrund auf Stämme, Mauern und Zaunlattenköpfe. Eine abgelegte Zahnbürste, eingetaucht in verdünntes Titanweiß, spritzt Schneeflocken auf das gesamte Motiv. Acrylfarben eignen sich hervorragend für solch spontane Stimmungswechsel. Man kann beliebig oft (über-)malen wenn es die Vollendung eines Werkes erfordert. Acrylfarben haften sehr gut und lassen sich von dünn lasierend bis zu pastosen Schichten nahezu unbegrenzt übereinander auftragen. Das funktioniert auch wenn bereits Acryl-Transparentlack aufgetragen wurde. Die Werke unseres zweiten Motivs besprechen wir im „Rampenlicht“. Jeweils ein Bild wird auf der Staffelei ins rechte Licht gerückt. Auffallendste Erkenntnis: Farbe braucht Licht um die gewollte Wirkung zu entfalten. Wie die Zeit dahinfliegt – schon ist Dienstag, 14. November. Wir räumen unser Atelier aus und blicken bei einem abendlichen Gläschen auf unsere gemeinsame „Malzeit“ zurück. |
Mein Fazit:
Ich gebe das eingangs genannte Feedback ohne Einschränkung zurück an die Gruppe. Als Kursleiter habe ich wieder viel gelernt, habe kreaktive Menschen kennen gelernt, die die Leidenschaft der Acrylmalerei teilen. Anfänger und Fortgeschrittene gingen mit Neugierde und Begeisterung zu Werke. Mit gegenseitiger Hilfe waren auch schwierigere Hürden auf dem Weg der Weiterwicklung kein Hindernis. Wir haben auch die kleinen Erfolge gemeinsam genossen. Die Gruppe hat ihren Leiter sehr freundlich betreut, sogar als er an einem Tag „Rücken“ hatte. Die bis zu 25 Teilnehmer haben die räumlichen Möglichkeiten unseres Ateliers an ihre Grenzen geführt. Dennoch hat die Stimmung nicht gelitten – Disziplin und Spaß waren im ausgewogenen Gleichgewicht. Danke dafür.
Das ist Ansporn für den nächsten Acryl-Kurs in der Villa Dürrkopp, Bad Salzuflen vom 13. bis 23. April 2018. Ihr werdet weniger TeilnehmerInnen sein und ich werde das Konzept individueller gestalten…
Bis dahin immer ein Klecks Farbe auf dem Pinsel und üben, üben, üben …
Euer Klaus